Die Prüfung als Teil der Ausbildung
Die Philosophie der neuen Prüfungsformen lautet: Geprüft wird, was die Fachkräfte im Unternehmen tatsächlich tun. Nach dem Verständnis der neuen Prüfungsformen sind Prüfungen gewissermaßen ein Teil der Ausbildung. Oder anders ausgedrückt: Die gesamte Ausbildung ist Vorbereitung auf die Prüfung. Und die Prüfungsvorbereitung beginnt am ersten Tag der Ausbildung. Das funktioniert nur, wenn die Ausbildung auch am Beherrschen bestimmter berufstypischer Arbeitsprozesse ausgerichtet wird. Dieser Anspruch erfordert jedoch ein Umdenken in der Ausbildung. Ausbildung, die auf die neuen Anforderungen von Facharbeit vorbereitet, wird konsequent entlang den betrieblichen Prozessen gestaltet. Die Ausbildung wird nicht mehr auf die Prüfung hin organisiert, sondern auf den betrieblichen Bedarf.
- Dabei ist eine fundierte fachliche Grundbildung nach wie vor wichtig. Sein Handwerkszeug muss man beherrschen. Hinzu kommen jedoch Arbeitsorganisation, Qualitätssicherung und Prozessoptimierung. Ein Ausbildungsverantwortlicher aus dem Automobilbereich fasst dies wie folgt zusammen: „Durch Einführung eines Produktionssystems mit kontinuierlichem Verbesserungsprozess, Qualitätsmanagement und durch Weiterentwicklung der Gruppenarbeit brauchen alle Mitarbeiter schon heute mehr Methoden- und Sozialkompetenz und das wird sich in Zukunft noch verstärken. Die Arbeit von Facharbeitern beinhaltet immer häufiger „Sonderaufgaben“, die bisher vornehmlich von Meistern übernommen wurden. Facharbeiter sind auch Qualitätskümmerer, Lerninselbetreuer oder Gruppensprecher. Dazu brauchen sie System- und Prozesskenntnisse und müssen sich im Qualitätsmanagement auskennen.“
- Gelernt wird – was im Betrieb tatsächlich gebraucht wird – am besten am späteren Einsatzort. So wird etwa im gewerblich-technischen Bereich nicht mehr für die Produktion, sondern in der Produktion ausgebildet. Nicht in der Ausbildungswerkstatt, sondern gleich an den neuen Techniken und Verfahren wird ausgebildet – und das möglichst von Anfang an. Die Ausbildungsabteilung wird dadurch nicht überflüssig, aber ihre Aufgaben als Ausbildungsverantwortlicher verändern sich grundlegend. Der Leiter der Ausbildungsabteilung eines führenden Zulieferers für die Hausgeräteindustrie sieht folgende Entwicklungen: „Die Lehrwerkstatt wird verstärkt eine Beratungsfunktion für die Personalleiter, Abteilungsverantwortlichen und Ausbildungsbeauftragten in der Fertigung übernehmen. Insgesamt wird die Nähe zum Betrieb wichtiger und der Kontakt mit den ausbildenden Fachkräften. Schulungen und Lehrgänge wird es weiterhin geben, aber die Didaktik wird sich ändern. Eigenständigkeit und Initiative der Auszubildenden sollen gefördert werden. Neben dem rein fachlichen soll Methodenkompetenz, vor allem Projektmanagement und Teamfähigkeit, vermittelt werden.“
Ausbildung, die darauf zielt, kommt auch gerade kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) entgegen. Oder wie es die Ausbildungsverantwortliche eines Softwarespezialisten mit sechs Auszubildenden formuliert: „Nach der Ausbildung sollen die Auszubildenden möglichst überall im Unternehmen einsetzbar sein, die Zusammenhänge und Aufgaben betrieblicher Prozesse kennen und im betrieblichen Gesamtzusammenhang kompetent handeln.“
© f-bb (Forschungsinstitut Betriebliche Bildung)